Open Data im Tourismus: Was Destinationen wirklich brauchen!

Neues vom TOM e.V.

In der letzten Zeit geistern Berichte über „kontrolliertes Open Data“ oder die idealtypische Datenbank durchs Netz – bei mir produziert das schlaflose Nächte… Die DSGVO wird als Aufhänger benutzt, um über das Thema Open Data im Tourismus zu sprechen. Der Überblick über das Thema und die tatsächlichen Herausforderungen scheint aber in alle diesen Diskussionen nur bedingt vorhanden zu sein. Deshalb wird es Zeit, hier etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

 

Was ist Open Data?

Als Open Data werden laut Wikipedia

„Daten bezeichnet, die von jedermann ohne jegliche Einschränkungen genutzt, weiterverbreitet und weiterverwendet werden dürfen.“

Diese erste Definition verdeutlicht schon die Problematik: ohne jegliche Einschränkungen. Die Vision Open Data kontrollieren zu wollen, ist paradox in sich. Dazu aber später mehr, nachdem ich darüber geschrieben habe, warum jetzt die Zeit für Open Data im Tourismus reif ist. Aber vorher noch zwei drei Worte zu Open Data. Es gibt unterschiedliche Lizenzen, mit denen man versuchen kann Open Data in ein Rechtssystem zu gießen und Nutzungsrechte zu klären. Die bekannteste Logik ist die Creative Commons. Inhalte können mit Attributen (Namensnennung, Keine Bearbeitung, Nicht kommerziell, Weitergabe unter gleichen Bedingungen) versehen werden und auch so vermeintlich kontrolliert werden.

Wie sieht die Realität von Open Data im Markt aus?

ABER: wie sieht es in der Realität aus? Erfolgreiche Open Data-Projekte wie Wikidata oder OSM sind unter CC0 (kein Copyright wenn möglich) oder CC-BY-SA (Namensnennung bei Weitergabe unter gleichen Bedingungen) mit relativ geringen oder ohne jegliche Restriktionen umgesetzt worden. Warum? Natürlich werden die Daten viel lieber von Entwicklern oder Akteuren im Markt verwendet, wenn sie keinen Einschränkungen unterliegen. Das gilt auch touristische Daten – vor allem wenn Dienste Daten miteinander verknüpfen wollen um daraus neue Services zu entwickelt.  Open Data mit der Handbremse funktioniert in der Realität nicht.

Alexa und Co. sind ein Grund, warum sich Destinationen mit Open Data beschäftigen Foto: GregSnell

Warum ist jetzt die Zeit für Open Data?

  • Global Player schaffen neue Lösungen in der Kommunikation (z.B. Conversational Interfaces wie Alexa oder Ok Google) und bieten eigene Lösungen zur Kommunikation mit dem Gast entlang der Customer Journey (z.B. Facebook City Guides, Google Trips). Touristische Organisationen dekorieren parallel auf der Titanic die Liegestühle um (hierzu meinen Artikel zu Content Management in Destinationen) und gestalten schöne Webseiten, die immer weniger Aufmerksamkeit bekommen. Um in diesen Diensten mit den eigenen Daten präsent zu sein, muss man die eigenen Daten öffnen – hierfür haben sich die globalen Akteure einen gemeinsamen Standard gegeben: schema.org ! ABER: Die globalen Akteure definieren hier die Regeln – und nur sie. Wenn wir mitbestimmen wollen, wie die Struktur sein wollen, müssen wir selbst handeln – dazu später mehr. Zudem nehmen sie die Daten für ihre Anwendungen auch nur, wenn sie genutzt werden dürfen… eine Kontrolle über die Nutzung ist nicht möglich.
  • Politischer Rahmen: öffentliche Organisationen werden durch den politischen Handlungsrahmen genötigt, sich dem Thema Open Data zu beschäftigen, wenn Steuermittel zu Erhebung der touristischen Daten eingesetzt werden. In mehreren europäischen Ländern wird schon nach der Prämisse open by default gehandelt – im Koalitionsvertrag der GroKo in Deutschland ist ein neues Open Data-Gesetz angekündigt, bei dem ich fest davon ausgehe, dass auch in Deutschland dieses Thema schlagend werden wird.
  • Künstliche Intelligenz: Wir stehen an einem paradigmatischen Wendepunkt unseres Handelns. Die Künstliche Intelligenz steht vor der Tür – wir müssen unsere Destinationen und Produkte für die Künstliche Intelligenz verständlich und interpretierbar machen. Der praktikabelste Weg ist es dabei, die eigenen Daten als Linked Open Data (vergleiche hierzu die 5. Stufe der 5-Sterne-Skala von Tim Berners-Lee) mit vorhandenen Knowledge Graphen im Netz zu verknüpfen um Dezentrale Datenstrukturen zu schaffen (hierzu der Artikel zur Digitalisierung im Tourismus).

Warum hat Open Data nur bedingt etwas mit DSGVO zu tun?

Nachdem man den obigen Hintergrund verstanden hat, ist es auch vollkommen offensichtlich, warum Open Data nichts mit dem Thema DSGVO zu tun hat. Es geht nämlich nicht um Daten mit Kundenbezug. Niemand will Kundendaten öffnen, sondern Open Data im Tourismus fokussiert sich auf entpersonalisierte Marketing-Daten, d.h. POIs, Veranstaltungen/Events, Touren, Bilder, Videos, beschreibende Texte. Die DSGVO bezieht sich explizit auf personenbezogene Daten. Wir brauchen hier keine Öffnung. Diese Daten sollen weiter geschützt sein und bleiben – eine Öffnung von Kundendaten liegt hier explizit im Interesse von Unternehmen, die noch mehr Verständnis für den Kunden aufbauen wollen, weil sie selbst über beschränkte Kundendaten verfügen.

Eine Vision der gemeinsamen Nutzung von Kundendaten – ohne organisationale Einbettung – darüber musste ich schon sehr laut lachen… Jeder der sich mit der Thematik nur kurz beschäftigt weiß, dass der Gesetzgeber hier sehr enge Grenzen setzt.

Was wir wirklich brauchen?

  1. Technische Anbieter, die Datenbanken bauen wollen und können, mit denen klassische Aufgaben bei allen Datentypen erledigt werden können (z.B. Schnittstellen zu existenten klassischen Systemen) aber auch ein Linked Open Data umgesetzt werden kann. Ich rede noch gar nicht von einer echt graphbasierten Datenbank – es würde schon reichen über die klassischen relationalen Datenbank einen Graph zu bauen bzw. wenn ich einen existenten Graphen als Grundlage nutzen könnte.
  2. Echte Offenheit der technischen Dienstleister und Plattformen: Open Data aktiv zu fördern, aber selbst noch proprietär zu denken und zu handeln – das macht keinen Sinn und ist auch unglaubwürdig. Wir brauchen echte Offenheit und Transparenz auf Augenhöhe. Nur so können wir das Monopol und die Marktmacht der Global Player im Tourismus nachhaltig brechen. Wer Dienstleister für Open Data sein will, muss auch offen sein.
  3. Daten mit den richtigen Rechten: In vielen Fällen v.a. in Bezug auf Bilder und Videos sind die Datenrechte unklar. Sehr oft existieren keine Verträge über Nutzungsrechte mit Fotographen oder Videographen, um die Inhalte als (Linked) Open Data zur Verfügung stellen zu können. Die Beschaffung des Contents muss sich in Zukunft nachhaltig ändern – hierfür braucht es klare Entscheidungen in Bezug auf das zukunftsfähigste Lizenzsystem und den Einkauf bereits heute nach dieser Logik.
  4. Einen gemeinsamen touristischen Knowledge Graph: Wir müssen nicht alle selbst die Welt neu erfinden und eigene Knowledge Graphen bauen. Das geht natürlich, aber warum sollen wir das machen? Wettbewerbsvorteile? Macht das vor dem Hintergrund von Open Data überhaupt Sinn? Ich denke, dass wir sicherstellen müssen, dass unsere Daten verstanden werden. Wenn wir es schaffen würden eine gemeinsame Sprache zu sprechen, eine gemeinsame Logik zu erarbeiten wie wir unsere Daten verknüpfen (Linked Open Data), erleichtern wir es anderen Akteuren unsere Daten zu interpretieren. Wir schaffen echte Interoperabilität zwischen den technischen Systemen und Hierarchieebenen – das Ende der leidigen Schnittstellen-Thematiken! Dann braucht es auch keine technische Harmonisierung, sondern wir können unabhängig von den technischen Barrieren Daten nutzen und dadurch ihren Wert erhöhen – und am Ende mehr Gäste auf unseren tollen Produkte aufmerksam machen oder bessere Services entlang der Customer Journey anzubieten. Und zwar jeder (DMOs, Hotels, Startups, Plattformen), nicht nur die Global Player. Wir haben eine einmalige Chance, lasst sie uns nutzen.

Was ist jetzt zu tun?

Ein erster Schritt sind getan – die Branche beschäftigt sich mit der Thematik. Beim Round Table Open Data im Rahmen des Tourismuscamps in Berchtesgaden wurde Sensibilität für die Problemstellung hergestellt. Die Herausforderungen in Bezug auf die Offenheit der Plattformen wurde an diesem Tag offensichtlich. Das Thema beschäftigt die Branche – an unterschiedlichen Ecken und Ende wird diskutiert. Und das ist gut so. Was es jetzt braucht ist nicht Gelassenheit sondern Bewegung. Wir brauchen agile Dienstleister und eine Branche die aufeinander zugeht. Jedenfalls in der Branche tut sich was. Am 18. Juli findet in Innbruck ein Treffen von DMOs mit dem Titel „Linked Open Data im Tourismus“  statt, um die Möglichkeiten und Notwendigkeiten für einen gemeinsamen touristischen Knowledge Graph zu diskutieren – bewusst ohne Dienstleister. Dafür werden wir uns mit existenten Graphen auseinandersetzen und mit der Wissenschaft diskutieren, was nötig ist, um diesen Weg zu beschreiten. Mal sehen, wo wir landen – ich freu mich darauf.

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