Crashkurs im Geschichten erzählen

Neues vom TOM e.V.

Crashkurs im Geschichten erzählen

Am vierten Tag der Tourismuswoche Oberbayern wurde es gruselig. Warum aus bunten Bildern im Rahmen des zweistündigen Onlineworkshops nach dem Impulsvortrag plötzlich schaurige Monster wurden, erzählt uns Matthias Burzinski von destinet.de und destinetCHANGE.

TOM:
Lieber Matthias, zum Tag der Regionen fand heute ein Workshop zum Thema Storytelling statt. Was ist das und wofür brauchen wir das überhaupt?

Matthias Burzinski:
Die Urlaubsdestinationen in Deutschland sind durch die Medien vergleichbarer geworden und stehen im stärkeren Wettbewerb zueinander, vor allem auch um die Aufmerksamkeit der Gäste. Sie unterscheiden sich in erster Linie durch ihre regionalen Besonderheiten. Und diese Besonderheiten muss man auf eine ganz besondere Art und Weise weitergeben, damit beim potentiellen Gast das Gefühl des „Habenwollens“ ausgelöst wird.

Eindrucksvolle Werbebilder oder Filme gibt es unzählige, aber das Wichtige ist, dass diese Emotionen bei uns auslösen. Sei es ein Schmunzeln, ein neugieriges Hinterfragen, ein überraschtes „Huch“ oder auch ein Schaudern. Genau diese Emotionen sind es, die zunächst mal zu einer Wahrnehmung und dann auch eher zu einer Kauf- oder Reiseentscheidung führen.

TOM:
Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Geschichten?

Matthias Burzinski:
Geschichten übernehmen – sehr vereinfacht ausgedrückt – eine zentrale Rolle in unserem Gehirn, um uns durch den Alltag zu leiten und das Leben zu erleichtern. Sie helfen uns Prozesse besser zu verstehen, zu lernen und zu erinnern. Wenn Dinge beispielsweise bizarr oder lustig erzählt werden, kann das Hirn selbst vermeintlich sperrige und komplexe Infos besser wahrnehmen und verarbeiten. Geschichten werden Teil unseres „episodischen Gedächtnisses“ – und da bleiben sie über einen langen Zeitraum und sind immer wieder assoziativ abrufbar. Manche sind sogar ins kollektive Gedächtnis der Menschheit übergegangen.

Wir Menschen lieben Geschichten. Seit Urzeiten werden Gleichnisse oder Märchen erzählt, Geschichten von Generation zu Generation weitergegeben – quasi als Mundpropaganda der Menschheit. Genauso ist es mit Urlaubserlebnissen.

Es ist ganz menschlich, dass die Handlung einer Geschichte eine ganz andere, tiefere Bedeutung für uns bekommt, wenn wir persönliche Erinnerungen mit ihr verbinden. Das Versprochene selbst erleben durften. Und wo, wenn nicht im Tourismus und Urlaub, gibt es die Chance, selbst Hauptdarsteller und aktiver Teil einer Story zu werden? Das gilt sowohl für Gäste als auch Einheimische, denn bekanntlich gibt es in jedem Film, jedem Theaterstück, jeder Geschichte mehrere Rollen.

Wenn wir es durch konkrete Angebote in den Regionen schaffen, das Versprechen aus der vorher erzählten Story einzulösen, können wir uns der Resonanz und Begeisterung der Gäste sicher sein.

Wir sagen immer: Wir ermöglichen den Gästen, ihre eigenen Heldenreisen zu erleben – und dann weiterzuerzählen.

TOM:
Wie gehe ich vor, wenn ich für meine Region nach einer Story „suche“?

Matthias Burzinski:
Das Wichtigste vorab: Trauen Sie sich zu spinnen und haben Sie den Mut, gedanklich die Komfortzone zu verlassen und etwas zu riskieren.

Genau das ist heute auch in unserem Workshop passiert. Vermeintlich seltsame erste Gedanken werden lebendig. Denn wer käme im ersten Moment auf den Gedanken, Oberbayern bzw. den Aufenthalt hier als Horrorfilm zu kreieren? Am Ende habe ich persönlich nicht nur gelernt, dass Frankensteins Monster in Ingolstadt erschaffen wurde, sondern dass in einem Horrorfilm jedes wunderschöne Bildmotiv, für das die gesamte Destination bekannt geworden ist, im neuen Licht gesehen und verwendet werden kann.

„Oberbayern – besiege das Stressmonster in Dir“.

Das Schöne am Storytelling ist, dass man mit allen Sinnen denken und erzählen darf. Alle Ebenen der Wahrnehmung können bedient werden. Jede Region hat Dinge, die emotional in die Geschichte eingebracht werden können.

Natürlich gehören zur konkreten Umsetzung und Maßnahmenentwicklung dann auch Zielgruppenwissen, Budget, Kompetenz, Zeit und Know-how. Und es darf nicht vergessen werden, dass die erzählte Geschichte nach innen und außen wirkt. Da gibt es viele Akteure, die befriedigt werden müssen. Und nicht jeder Akteur vor Ort, liebt das Risiko. Man muss behutsam mit der eigenen Marke und der Akzeptanz vor Ort umgehen. Trotzdem empfehlen wir: Traut Euch was! Wenn diese Hürden genommen sind, bleibt der schöne Leitsatz „Eine gute Geschichte bleibt eine gute Geschichte“.

TOM:
Welchen Tipp kannst Du uns zum Abschluss noch mit auf den Weg geben?

Matthias Burzinski:
Arbeiten, kreieren, spinnen sie gemeinsam. Es macht Spaß, diese Geschichten zusammen zu entwickeln.

Oberbayern hat so viele Geschichten, für jeden Geschmack, jedes Genre ist etwas dabei. Erzählen wir sie! Und vergessen Sie nicht: Schon Kinder fordern Geschichten bei ihren Eltern ein. Wenn wir es schaffen, über Oberbayern Geschichten zu erzählen, die auch die Kinder berühren, haben wir den Gast von morgen!

Wir bedanken uns für dieses Interview sowie bei allen Teilnehmern für den aktiven und kreativen Austausch.

Wie Einheimische unsere Region sehen, sehen Sie in unserem Fotowettbewerb: Tag der Regionen – Tourismus Oberbayern Partnernetz

Weitere Informationen zu unserer 2. Tourismuswoche Oberbayern finden Sie hier: www.oberbayern.de/presse


Melden Sie sich jetzt noch schnell für die weiteren Talkrunden der Tourismuswoche an:


veröffentlicht am